Forschungsreise
Wie Sie sicher wissen, fand der motorisierte Erstflug von Gustav Weisskopf nicht in seiner Geburtsstadt, sondern in den USA statt. Um dem Leben und Wirken unseres Flugpioniers noch einen Schritt näher zu kommen und die Herkunftsgeschichte der Schriftstücke und Exponate der Ausstellung unter die Lupe zu nehmen, fand im August 2019 ein Forschungsaufenthalt in den USA statt. Stationen waren unter anderem Dallas, Fairfield und New Haven.
Die Recherchen werden von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern finanziert. Wir möchten Sie natürlich daran teilhaben lassen und geben Ihnen gerne aktuelle Einblicke in die Forschungsarbeit von uns und FranKonzept.
16. August 2019
Auswertung folgt…
Um 10.00 Uhr betraten wir zum zweiten Mal das Fairfield Museum and History Center. Wir nahmen dieses Mal die kleine Ausstellungseinheit zu Gustav Weisskopf am Eingang der Research-Library genauer in Augenschein. Die dort ausgestellten Fotos waren uns – bis auf das Foto-Album von Arthur Watson – schon bekannt. Interessant war allerdings die historische Einordnung, die das Museum hier vornahm. Unter Berufung auf den Jahrgang 2013 von „Jane’s All World’s Aircraft“ – auf den sich auch der neue Gedenkstein an Weisskopfs Grab bezieht – wird Gustav Weisskopf hier als erster Motorflieger der Geschichte akzeptiert.
Vor allem wollten wir heute jedoch die bereitstehenden Akten bis zum letzten „Folder“ sichten und damit unsere Vor-Ort-Recherchen abschließen. Zunächst arbeiteten wir uns weiter durch die zahlreichen Zeitungsartikel und -berichte zu Gustav Weisskopfs Experimenten. Schon ab den 1910er Jahren wurde es zusehends still um ihn – seine Flugunternehmungen hatte er weitgehend aufgegeben, immer seltener erinnerte sich die Presse an ihn und seine Arbeit. Erst mit Stella Randolphs Buch von 1936 flammte das öffentliche Interesse wieder auf.
Auch zum Beinahe-Auftritt der No. 21 von Weisskopf in Hollywood fand sich eine neue Quelle in Form einer Fotostrecke im Life Magazin vom 10. Oktober 1938, die den Paramount-Film „Men with Wings“ nacherzählt. Das Flugzeug, das dabei zu sehen ist, erinnert zwar unverkennbar an Weisskopfs Flugmaschine, wurde aber doch im Stile Hollywoods optisch deutlich variiert.
Die Adresse in Weisskopfs Todesanzeige vom 12. Oktober 1927 belegt, dass die Familie noch einmal aus der Ridgeley Avenue umgezogen war und sich ein wenig höher am Tunxis Hill niedergelassen hatte. Anhand von Zeitzeugenbefragungen, die sich im Bestand befanden und von William O’Dwyer in den 1960er und 1970er Jahren – rund 60 Jahre nach den Ereignissen in Fairfield / Bridgeport – durchgeführt worden waren, ließen sich die Umzüge der Familie mit aller Vorsicht weiter eingrenzen.
Mit dem Schließen der letzten Archivbox hatten wir auch die Vor-Ort-Recherchen abgeschlossen. Doch damit ist die Arbeit nicht beendet: Nach der Recherche ist schließlich vor der Auswertung. Aus Dallas erwarten wir noch eine größere Anzahl digitaler Kopien von ausgewähltem Archivmaterial und auch die zahlreichen digitalen Fotoaufnahmen der in Fairfield eingesehenen Dokumente müssen noch sortiert und interpretiert werden. Das alles erfolgt dann aber nach unserem Rückflug!
Freitag, 16. August, 17:00 Uhr, Fairfield Ortszeit
15. August 2019
Steinchen im Mosaik
Um 10.00 öffnete heute das Fairfield Museum and History Center. Das Museum war als lokalgeschichtliches Museum für Fairfield gegründet worden, fühlt sich aber längst auch für Bridgeport und die gesamte Umgebung zuständig. Wir waren mit Mrs. Elisabeth Rose, der Leiterin der Research Library angekündigt, um Unterlagen aus der „Gustave Whitehead Research Collection“ einzusehen, die hier aufbewahrt wird.
Zuerst weckten die drei Fotoalben von Arthur Watson unser Interesse. Das Album mit den bekannten Fotos über Watsons Unterstützung der Experimente Gustav Weisskopfs befand sich in einer Vitrine, die anderen beiden im Archivbestand. Mit ihrer Hilfe gelang es gewissermaßen ein Charakterprofil von Watson zu erstellen. Unverkennbar verfügte er über ansehnliche Finanzmittel, war vor stattlichen Häusern, beim Tennisspiel oder mit häufig wechselnden Motorkutschen und Automobilen zu sehen. Im Bemühen, immer das modernste Fahrzeug zu besitzen, zeigt sich auch seine Begeisterung für technischen Fortschritt. Dieser Begeisterung sind viele andere Fotos geschuldet: Von Rennbooten, Ballonaufstiegen oder Versuchen mit Drachen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich Watson für Weisskopfs Arbeit interessierte, ihn unterstützte und seine Experimente fotografierte.
Bei den weiteren Sichtungen des Archivbestandes stießen wir auf noch mehr Fotografien, von denen uns die meisten bekannt waren. Interessant waren daher insbesondere die Datierungsversuche und die Lokalisierungen, die aus rückseitigen Beschriftungen hervorgingen. Im Vergleich mit den Archivalien der History of Aviation Archives in Dallas ließen sich immer wieder Ungereimtheiten und Widersprüche erkennen. Eine verlässliche Chronologie der Flugmodelle Weisskopfs aber auch der einzelnen in Quellen erwähnten Experimente steht noch immer aus.
Interessant war für uns die Erkenntnis, dass die Familie Weisskopf zwischen 1903 und 1909 ihre Wohnung in der Pine Street aufgab und umzog. Sicher wollten sie das industriell geprägte Viertel verlassen, doch scheint auch der neue Wohnort mehr als bezeichnend, zogen sie doch in die Ridgley Avenue bei der Tunxit Hill Road und damit in unmittelbare Nachbarschaft zu einem von Weisskopf bevorzugten Versuchsgelände. Offenbar arbeitete Weisskopf an der neuen Adresse auch als Automechaniker und seine Frau führte eine Nebenerwerbslandwirtschaft.
Die Sammlung enthält auch eine gewaltige Anzahl an Zeitungsartikeln – durchweg in Kopie, die wohl alle bislang bekannten Berichte über Weisskopfs Flugunternehmungen umfassen. Besonders fesselten uns die Berichte über die Weltausstellung in St. Louis 1904 und das aus diesem Anlass ausgelobte hohe Preisgeld für das beste Fluggerät. Weisskopf war der einzige, der sich mit einer Maschine anmeldete, die ohne Auftrieb durch einen Ballon fliegen wollte. Das „Woman‘s Home Companion Magazine“ berichtete ausführlich davon. Doch Weisskopf trat in St. Louis nicht an, sondern brachte lediglich einen Motor mit, der im „California Arrow“ einem Luftschiff von Thomas Baldwin verbaut worden sein soll. Aus diesem Kontext stammen auch drei Fotografien von Weisskopf-Flugmaschinen, die mit der No. 21 in Zusammenhang stehen und von denen zwei bis zur Auffindung dieses kleinen Konvoluts im Jahre 1980 unbekannt gewesen waren.
Um den gesamten Bestand zu sichten, werden wir für morgen einen weiteren Tag im „Fairfield Museum and History Center“ einplanen.
Donnerstag, 15. August, 20:00 Uhr, Fairfield Ortszeit
14. August 2019
Teil 2
Der undurchschaubare Mr. Beach
In der architektonisch beeindruckenden Beinecke Rare Book and Manuskript Library der University of Yale wird der schriftliche Nachlass von Stanley Yale Beach aufbewahrt. Beach war in Bridgeport zeitweise der Partner und Geldgeber von Gustav Weisskopf. Schon in den History of Aviation Archives in Dallas waren wir auf den Schriftverkehr zwischen ihm und Stella Randolph gestoßen und konnten dabei feststellen, dass er dem Thema Gustav Weisskopf offenbar gern aus dem Weg ging und lieber von anderen Dingen schrieb und berichtete.
Davon, seinen Nachlass nach Hinweisen auf seine Verbindungen zur frühen Luftfahrt im Allgemeinen und zu Gustav Weisskopf im Speziellen zu untersuchen, versprachen wir uns einiges. Zeitgenössische Schriftstücke über seine Zusammenarbeit mit dem Flugpionier aus Leutershausen enthält der Bestand nicht. Aber er zeigt die Art und Weise, in der Stanley Yale Beach Geschäfte zu machen pflegte. Dabei war die Fliegerei keineswegs sein einziges Geschäftsfeld. Er interessierte sich für alle Arten von wissenschaftlichen Erfindungen, unterhielt zahlreiche Kontakte mit Patentinhabern (auch in Europa) und versuchte neue Ideen zu publizieren, zu fördern und davon auch zu profitieren. Allerdings sprang er dabei unstet von Projekt zu Projekt, vernachlässigte Partner, hielt Zusagen nicht ein und verlegte sogar wichtige Unterlagen. Immer wieder sagten sich Geschäftspartner entnervt von ihm los – darunter auch einige, die Erfindungen im Bereich der Flugtechnik gemacht hatten, wie etwa Nikolaus Basenach aus Kiel oder Erich Meyer aus Dresden.
Beach versuchte sich aber nicht nur an technischen Projekten, sondern er wollte auch aus der Suche nach verschollenen Flugzeugen ein Geschäft machen, seinem verstorbenen Großvater zu lukrativen Ehrungen verhelfen oder Bühnenstücke literarisch überarbeiten und neu herausgeben.
Kennzeichnend für den gesamten Nachlass ist, dass Beach Briefe, Dokumente und Zeitungsartikel unablässig kommentierte und korrigierte. Überall finden sich Unterstreichungen oder handschriftlich eingefügte Worte. Nirgends in seiner gesammelten Korrespondenz zwischen 1923 und 1931 jedoch nahm Beach Bezug auf Gustav Weisskopf – auch nicht bei Artikeln und Berichten, die ausdrücklich Wilbur und Orville Wright als erste Motorflieger der Geschichte bezeichneten. Auch in der Korrespondenz mit Persönlichkeiten aus Bridgeport, die zeigen, dass Beach dorthin stete Kontakte pflegte, bleibt Weisskopf durchgängig unerwähnt.
Es scheint, als wollte Beach sich zu seinem ehemaligen Partner bewusst nicht äußern oder wich diesem Bezug aus. Zuletzt fiel uns schließlich ein Essay aus seiner Feder in die Hände mit dem Titel: „The world‘s oldest aviation pioneer and his monoplane of fourty years ago“. Er schrieb es 1930 anlässlich des 90. Geburtstages von Henry A. House, einem Erfinder aus Bridgeport, der sich unter anderem mit Dampf- und Nähmaschinen befasste. Der Flugpionier, von dem Beach hier berichtet, war einmal mehr nicht Gustav Weisskopf, sondern Hiram Maxim. Warum nur zeigte sich Stanley Yale Beach seinem ehemaligen Geschäftspartner gegenüber so hartnäckig distanziert?
Mittwoch, 14. August, 18:00 Uhr, New Haven Ortszeit
14. August 2019
Teil 1
Im Morgengrauen vor 118 Jahren
Heute ist der 14. August 2019 – auf den Tag genau vor 118 Jahren startete Gustav Weisskopf, laut einem Zeitungsbericht im Bridgeport Sunday Herald, bei Sonnenaufgang auf einer Wiese vor Fairfield zum ersten motorisierten Flug der Geschichte. Auch wenn sich der Wahrheitsgehalt des Artikels vor Ort sicherlich nicht überprüfen lassen würde, wollten wir uns doch die einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen und fuhren zum Sonnenaufgang um 6.00 morgens an den Strand bei Fairfield. Es herrschte noch dichter Nebel, den der spürbare ablandige Wind nur langsam auflöste. Die gediegene Wohngegend, die sich heute in dem Bereich befindet, wo 1901 Weisskopfs Start- und Landebahn gelegen haben soll, war still und nur wenige Frühsportler belebten den Strand und die Zufahrtsstraßen. Ähnlich still dürfte es in den frühen Morgenstunden vor 118 Jahren gewesen sein.
Mittwoch, 14. August, 07:00 Uhr, Fairfield Ortszeit
13. August 2019
Auf Gustave Whiteheads Spuren
Über das Wochenende sind wir von Texas an die amerikanische Ostküste nach Connecticut gereist. Hier begaben wir uns auf die Spuren Gustavs Weisskopfs vor Ort in Bridgeport und Fairfield. Wir wollten versuchen, die Berichte über seine Flugunternehmungen nachzuvollziehen und die Orte miteinander in Beziehung bringen.
Doch unser erster Besuch galt Gustav Weisskopf selbst. Wir besuchten sein Grab auf dem Lakeview Cemetery in Bridgeport und erlebten dort eine Überraschung. Im hintersten Abschnitt des Friedhofs – im Bereich der Armengräber – befindet sich seit 1927 seine Grabstätte. 1966 war ihm an dieser Stelle ein Gedenkstein gesetzt worden, zeitgleiche Pläne für ein größeres Denkmal wurden nicht realisiert (Entwurfsskizzen dazu hatten wir im Archiv in Dallas entdeckt). Heute allerdings ist auch der Stein von 1966 verschwunden. Stattdessen wurde am 25./26. Juni 2013 ein neuer Stein gesetzt von der „Connecticut General Assembly“ und dem „Governor of Connecticut Dannel P. Malloy“. Er ehrt „First in Flight 1901 Gustave Whitehead“.
Danach suchten wir die verschiedenen Orte auf, an denen Weisskopf seine Flugunternehmungen startete. Tatsächlich ließen sich einige Örtlichkeiten in nachvollziehbare Zusammenhänge bringen. Von Bedeutung war für Weisskopf ein gewisses Gefälle in der Topografie. Dazu nutzte er 1901 und in den früheren Jahren die sanften Abhänge hinunter zu den flachen, oftmals sumpfigen Stränden an der Küste bei Bridgeport. Insbesondere führte die Hancock Avenue direkt von seinem Wohn- und Arbeitsort hinunter zum Ufer – heute steht dort ein großes Kraftwerk. In den späteren Jahren suchte er offenbar nach steileren Hängen und nutzte dazu die etwas weiter im Landesinneren liegenden Hänge des Tunxis Hill. Der Gipfelbereich des Hügels ist noch immer unverbaut und gibt einen guten Eindruck davon, was Weisskopf hier vorfand.
Natürlich sind weder von Weisskopfs Wohnhaus noch von den Werkstätten Reste erhalten. Die achtspurige Interstate 95 wurde genau zwischen der Pine und der Cherry Street, in denen Weisskopf arbeitete und experimentierte, hindurch gebaut. 1934 hatte Stella Randolph die damaligen Gebäude mit ihrer Kamera festgehalten. Die Fotos sind im Archiv in Dallas erhalten und wir fanden einige Bachsteinbauten in der Cherry Street noch immer so vor.
Der Höhepunkt des Tages war die Suche nach der ersten Flugstrecke vom 14. August 1901 in Fairfield. Es liegen etwa 3,3 km zwischen der Werkstatt in der Pine Street und dem vermuteten Startpunkt. Ein geringes Gefälle führt von der alten Landstraße hinunter Richtung Strand – recht nah vorbei am historischen Ortskern von Fairfield, den es dort schon zu Weisskopfs Zeiten gab. Das Rätsel konnten wir hier – erwartungsgemäß – nicht lösen. Aber wir nahmen zahlreiche Eindrücke von den räumlichen und topografischen Zusammenhängen mit und können die Dimensionen nun viel besser überprüfen.
Dienstag, 13. August, 18:45 Uhr, Bridgeport Ortszeit
9. August 2019
Das Bild verdichtet sich
Der letzte Tag in den History of Aviation Archives an der University of Texas in Dallas – und es lagen noch so einige „Boxes“ mit historischem Material vor uns: Gleich zu Anfang stießen wir auf die originalen Affidavits, die beglaubigten Zeitzeugenaussagen, die die zentrale Grundlage für Stella Randolphs Geschichtserzählung bildeten. Hier hatte die Autorin wirklich ganze Arbeit geleistet und eine größtmögliche Absicherung ihrer Angaben durch die Zeugen erreicht.
Wir stießen auch auf Mappen voller Fotografien, die Randolph zusammengetragen hatte, um ihre Artikel und Bücher zu illustrieren. Es fanden sich sowohl Originalfotografien, als auch Abzüge und schlichte Kopien. So gut wir nirgends war die Herkunft der Fotos oder der Name der Fotografen vermerkt. Stattdessen gab es jedoch immer wieder interessante rückseitige Beschriftungen, die die Abbildung genauer beschrieb und Details zu den Örtlichkeiten, Personen oder Flugmaschinen erläuterte. Wir können damit viele der in Leutershausen bereits bekannten Abbildungen besser verstehen und können zudem bei Bedarf hochwertige Reproduktionen davon in Dallas anfertigen lassen. Es gab allerdings auch Fotografien, von denen wir bislang nichts wussten. Meist handelt es sich dabei nicht um Bilder der ikonischen Flugmaschinen – diese wurde fast alle schon vielfach publiziert – sondern um Fotos aus dem Umfeld Weisskopfs in Bridgeport, die uns helfen, die Szenerie möglichst genau darstellen zu können.
Außerdem befindet sich im Archiv ein Sammelkarton mit sämtlichen Zeitungsberichten zu Weisskopf, die Stella Randolph auftreiben konnte. Die Berichte erschienen in Wellen und verdichteten sich um die Erscheinungstermine ihrer Bücher 1937 bzw. 1966 und um den 100sten Geburtstag Weisskopfs 1974 herum. Beim Durchblättern der US-amerikanischen Artikel wird klar, welche Dimension die Diskussion um den Erstflug in den USA zeitweise angenommen hatte: Selbst der Kongress war in die Thematik kurzfristig involviert. In Deutschland verlief die Berichterstattung wesentlich ruhiger.
Auch einige Kuriosita brachte der letzte Tag ans Licht, die in den bisherigen Publikationen kaum Berücksichtigung gefunden hatten. Über die verpasste Gelegenheit auf ein Interview im Playboy haben wir schon berichtet. Es gab in den 1930er Jahren zudem den Versuch, Hollywood für einen Weisskopf-Film zu begeistern. Ein entsprechendes Schreiben an Paramount Pictures blieb zwar unbeantwortet, doch im Film „Men with Wings“ von 1938 spielt eine Flugmaschine eine Rolle, die nach Fotos von Weisskopfs Arbeiten entstand. Wir fanden auch eine deutsche Weisskopf-Gedenkmünze im US-Archiv; eine solche soll – davon berichtet ein Schreiben – wohl an US-Außenminister Henry Kissinger versandt worden war.
Am späten Nachmittag schlossen wir die letzte Box. Die Sichtung des großen Bestands in relativ kurzer Zeit war nur möglich gewesen, weil wir in Dallas auf ein hervorragend geordnetes und ausgezeichnet aufbereitetes Archivmaterial zugreifen konnten – und weil uns die dafür verantwortliche Leiterin des Archivs Frau Patrizia Nava in unbeschreiblich herzlicher und fürsorglicher Weise unterstützte. In ihr (und ihrem Archiv) haben wir eine engagierte und äußerst kompetente Kooperationspartnerin gefunden, die uns im Lauf der Umsetzungsarbeiten zum Museum Pioniere der Lüfte sicherlich noch mit zahlreichen Hilfestellungen zur Seite stehen kann.
Samstag, 10. August, 8:00 Uhr, Dallas Ortszeit
8. August 2019
Sammeln, Sammeln, Sammeln
Heute widmeten wir unsere Recherchen den Bild- und Sachquellen zu den flughistorischen Pionierleistungen von Gustav Weisskopf. Wir stellten sehr schnell fest, dass wir Stella Randolphs Sammeltätigkeit nicht aus der Perspektive eines Museums betrachten durften, sondern dass wir uns auf ihre ganz eigenen Zielsetzungen einstellen mussten. Nur so ließ sich ihre Vorgehensweise verstehen.
Bereits zu Beginn ihrer Arbeit im Mai 1934 stand ihr Ziel fest: Sie wollte ihre Ergebnisse in einem Zeitungsartikel oder einem Buch veröffentlichen. Ihr Hauptaugenmerk richtete sich daher auf alle Überlieferungsformen, die diesen Publikationsmedien gerecht wurden: Also vorrangig auf – qualitativ hochwertige – Fotografien oder andere zweidimensionale Zeugnisse, die sie zusammensammeln konnte. Ihre wichtigste Quelle bildete dabei der engste Familienkreis um Gustav Weisskopf, d.h. seine Witwe Louisa und die Kinder. Wir entdeckten aufschlussreiche Details zu den insgesamt 28 Bildplatten, die ihr überlassen wurden, und erhielten Aufschluss über deren Qualität und Zustand. Sobald sie bei ihren Recherchen im engeren Familienkreis auf dreidimensionale Realien stieß, überlegte sie, wie sie diese fotografieren und damit ggf. ergänzend die geplanten Publikationen bereichern konnte.
Das zusammengetragene Bildmaterial versuchte sie schließlich zu datieren und zu kommentieren, wobei sie sich – wie bei allen ihren Recherchen – auf die Aussagen von Zeitzeugen stützte, mit denen sie einen intensiven und transparenten Umgang pflegte. Ihre Gesprächspartner belohnten sie dafür mit großem Vertrauen und Auskunftsbereitschaft.
Sämtliche Aussagen brachten sie ihrem erklärten Ziel ein Stückchen näher: Sie wollte eine innovative Geschichte aus der Frühzeit des Motorflugs erzählen. Wie Perlen auf einer Schnur reihten sich die Indizien zu einem Gesamtbild zusammen. Wenig interessiert zeigte sie sich dagegen hinsichtlich der technischen Aspekte der Pionierleistungen Gustav Weisskopfs. Ihre Nachfragen dazu fallen durchweg weniger detailliert aus als zu anderen Bereichen der Ereignisgeschichte. Auch kritische Rückfragen blieben die Ausnahme. Einschlägige technikhistorische Forschungseinrichtungen sahen darin schon in den 1930er Jahren einen Ansatzpunkt für ernsthafte Kritik.
Unsere Erkenntnisse aus dem heutigen Archivtag lassen sich wie folgt zusammenfassen: Stella Randolphs Recherchen und Entdeckungen zur Leistung Gustav Weisskopfs für die Geschichte des Motorflugs nahmen schnell Ausmaße an, die bald auch einschlägige Forschungseinrichtungen auf den Plan riefen. Deren kritische Auseinandersetzung mit den Publikationen von Stella Randolph führte zu intensiven Diskussionen – und letztendlich zu hartnäckigen Auseinandersetzungen. Dabei verhielt sich Stella Randolph ihren eigenen Informanten und Gewährsleuten gegenüber zu jeder Zeit fair, loyal und transparent, verwehrte aber Kritikern weitgehend den Zugang zu ihren eigenen Erkenntnissen. Trotz der hohen Wellen, die das Thema zeitweise schlug, war sie stets bemüht, einen sachlichen Ton zu wahren.
Dallas, 9.00 pm Ortszeit
7. August 2019
Von A bis Z
In der University of Texas in Dallas wird in den History of Aviation Archives eine einmalige Dokumentensammlung zur Pionierzeit der Luftfahrtgeschichte verwahrt. Dabei handelt es sich um die „Stella Randolph Collection on Gustav Whitehead“, die vor allem zwischen 1934 und 1976 angelegt worden war. Stella Randolph war 1934 auf die Pionierleistungen von Gustav Whitehead alias Gustav Weisskopf aufmerksam geworden und startete sofort intensive Recherchen, die in Bridgeport bei der Witwe und den Kindern des 1927 verstorbenen Flugpioniers ihren Anfang nahmen. Schon bald zog ihre Arbeit immer weitere Kreise – bis hin zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, den sie persönlich über die Ergebnisse ihrer Arbeit in Kenntnis setzte!
Das entsprechende Schreiben ist unter dem Buchstaben „P“ der umfangreichen Korrespondenz abgelegt. Bei der Durchsicht ihres gesamten Briefverkehrs von „A“ bis „Z“ gewannen wir erkenntnisreiche Einblicke in die Methodik von Stella Randolph, die von drei Merkmalen geprägt war: Erstens dem konsequenten Verfolgen wirklich jeder Spur und jeden Hinweises auf Personen und Fakten, wodurch sie das Netz der Indizien immer dichter wob; zweitens dem hartnäckigen Nachhaken, wenn Gewährspersonen, Einrichtungen und Behörden Fragen unbeantwortet ließen – so lange bis selbst die zögerlichsten Adressaten sich zu einer Antwort veranlasst sahen. Das dritte Methodenmerkmal schließlich liegt in der gewissenhaften Sammlung und Ablage sämtlicher Anfragen, Antworten und Hinweise, so dass das Material heute wertvolle und nachvollziehbare Rückschlüsse zulässt.
Besonders interessierten uns natürlich die Korrespondenzen mit den Zeugen der flughistorischen Leistungen Gustave Whiteheads, die in den so genannten Affidavits ihre Aussagen notariell beglaubigten – eine Absicherung in Bezug auf die gemachten Angaben und außerdem sehr kostengünstig: die damaligen Gebühren in Höhe von jeweils 50 Cent pro Beglaubigung konnten in Briefmarken beglichen werden. Auch Stella Randolph widmete sich diesen Zeugen besonders intensiv und zog im Hintergrund zum Teil Erkundigungen über die Glaubwürdigkeit ihrer Gesprächspartner bei weiteren Gewährspersonen ein.
Ein wenig bedauerten wir aber auch, dass die große Ernsthaftigkeit, die Stella Randolph an den Tag legte, sie von gewagten Schritten abhielt: Sonst hätten wir uns heute über ein Experten-Interview mit ihr über die Flugpionierleistungen von Gustav Weisskopf im „Playboy“ freuen können, das ihr ein Kollege 1966 vermittelt hatte und dem sie spontan zugestimmt hatte. Wenig später machte sie jedoch noch schnell einen Rückzieher: Ausschlaggebend waren dafür aber gar nicht Bedenken gegenüber der Qualität der Artikel oder der Zielgruppe des Magazins gewesen, sondern vielmehr aufkeimende grundsätzliche Zweifel, ob das im Interesse des Themas wäre.
Wir freuen uns auf jeden Fall schon auf die Entdeckungen morgen!
Dallas, 6.30 pm Ortszeit